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Rennbericht 2. Grafschaftslauf + 8 Wettkampftipps

„Laufend Geschichte erleben“ von Rietberg bis Schloß Holte- Stukenbrock

„Daniels Bein machte am Vortag etwas Probleme, Marco war am Vorabend unterwegs und definitiv nicht unterhopft (😉). Aber dass wir mit solch einem Ergebnis nach Hause fahren, damit haben wir nicht gerechnet“.

Anhand des folgenden Rennberichts möchte ich dir meine Erfahrungen und 8 ultimativen Tipps für deinen nächsten Wettkampf geben, die du vielleicht noch nicht kennst.

*enthält unbezahlte Markennennungen

Aber fangen wir ganz von vorn an…

Es ist Freitag, 13:23 Uhr, etwa 48h vor dem Start des 2. Grafschaftslaufs von Rietberg nach Schloss Holte-Stukenbrock. Mein Arbeitgeber hat uns spontan heute um 12:30 Uhr frei gegeben – tolle Geste übrigens! 

Ich nutze die Zeit für die Vorbereitung auf das Rennen. Lang bin ich keinen Wettkampf mehr gelaufen, da will ich nicht gleich irgendetwas vergessen. Erster Wettkampftipp schon hier: Um nichts zu vergessen, Checkliste im Vorfeld anlegen! 

Auf dem Bild unten seht ihr das Raceoutfit. Ich setze auf die eingelaufenen und für das Tempo gut passenden Saucony Kinvara. Hier geht ein kurzer Dank an meinen Partner Laufladen Endspurt Paderborn raus! 
Zusätzlich natürlich Wechselkleidung (für nach dem Lauf) und das Startnummernband.

Verpflegung soll auch geplant sein: im Training habe ich den Maurten Drink Mix 160 und CAF 100 getestet, das lief super. Wettkampftipp Nr. 2: Verpflegung unbedingt im Training testen!

Raceoutfit Grafschaftslauf / Laufcoach Stefan Wettkampftipps
Rennkleidung inkl. Verpflegung

Wettkampftipp 3: die Gesundheit geht immer vor. Auch bei einer „normalen Erkältung“ (ohne C) ist an ein Rennen nicht zu denken! Checkt das, gern auch einmal mehr auf Nummer sicher gehen.

Zum Renntag selbst:

Die Nacht war semi-gut, aber das macht eben die Aufregung. Ich fühle mich fit, es kann losgehen.

Als wir uns um 9:35 Uhr (weiß Gott, wie Daniel auf diese Uhrzeit kam) auf dem Parkplatz der Gesamtschule SHS trafen, war mir noch nicht so klar, wie viel Zeit ich heute mit Warten verbringen darf. Los ging es zur Startunterlagenausgabe und Fertigmachen der Rennkleidung. Danach hieß es warten bis zum Bustransfer.

3 Läufer vor dem Grafschaftslauf / Laufcoach Stefan
Unterwegs zum Bustransfer mit Marco und Daniel (v.l.n.r.)

Nach einer kurzen Busfahrt von Schloss Holte bis Kaunitz war ich gegen 12:10 Uhr quasi startbereit. Bis zu meinem Start konnte ich noch viele Läufer:innen anfeuern, u.a. die späteren Sieger:innen, aber was mir persönlich noch viel mehr Freude bereitet hat, war meinen Athleten Sebastian laufen zu sehen und anzufeuern. Gratulation hier nochmal zum erfolgreichen Finish! 

Läufer gut gelaunt im Wald / Laufcoach Stefan
Athlet Sebastian sichtlich gut gelaunt unterwegs. © Jens Dünh

Grob errechnet und geplant war, dass Marco als zweiter Läufer unserer Staffel etwa 40 Minuten auf dem 10km langen Abschnitt laufen und somit, nachdem Daniel um ca. 12:20 Uhr übergeben hat, um 13:00 an der OWL-Halle in Kaunitz eintreffen würde. Wettkampftipp hierzu: diverse Uhren-/Hersteller bieten ein Live-Tracking an. Wir drei nutzen alle Garmin-Uhren, dort gibt es die Funktion des LiveTracks. Per Mail bekommt man nach Start der Aktivität einen Link, über den man die Aktivität inkl. Angabe von Distanz, Zeit, Pace und Kartenansicht verfolgen kann. Somit war es uns möglich, uns (wenigstens ungefähr) auszutauschen, ohne dass man aktiv noch etwas im Rennen starten musste.

Erfahrungsgemäß funktioniert das auch einwandfrei, ich hab vielleicht 1-2x pro Jahr Probleme – und Marco leider genau an diesem Tag auch. Nichtsdestotrotz finde ich die Funktion super und empfehle es als Wettkampftipp Nr. 4.

Um 13:08 Uhr dann meine nervöse Nachricht an Daniel: „Wann warst du genau fertig? Marco ist immer noch nicht hier“ – „12:23“ antwortet Daniel. Mh, dann müsste er doch hier sein, er ist seit 45 Minuten unterwegs. Ich denke schon an diverse Zwischenfälle, aber um 13:12 dann doch das Gesicht „am Horizont“ – Marco kommt schweißgetrieben um die Ecke, rennt noch einmal durch die OWL-Halle und gibt dort noch einmal alles. Er hat u.a. länger gebraucht, weil sein Streckenabschnitt doch fast 11km betrug.

Die Startnummer muss bei der Grafschaftslauf-Staffel übergeben werden, denn in der Startnummer ist auch der Zeitmess-Chip. Daher ist es ratsam, ein Startnummernband zu verwenden. Dies lässt sich schneller übergeben als Startnummernmagnete oder gar Befestigung per Sicherheitsnadeln.

Marco fand in der Aufregung die Steckschnalle nicht, so half ich ihm schnell und nahm ihm das Band ab.

ATTACKE!

Uhr auf Start drücken, Band im Laufen umlegen, ab geht die Post. „Nur nicht überpacen“ dachte ich mir, „sonst hängst du hinten raus auf der Straße“. Direkt nach meinem Start gab es bereits eine Verpflegungsstelle (super eben für die Einzelläufer:innen), die ich jedoch ausließ und nur den Sprühregen zur Abkühlung mitnahm.

Nach gut 500m hörte ich schnelle Schritte von hinten und dann auch schon neben mir, mich überholte wohl ein weiterer Staffelläufer. Kurz dachte ich, dort mitzugehen, aber verließ mich auf mein Körpergefühl und die geplante Renntaktik – die sich im Rennen aber nochmal änderte. Anfangs wollte ich aufgrund der Streckenlänge und des Streckenprofils lediglich die 4:50 min/km anpeilen und die auch grob ins Ziel bringen.

Lange konnte ich diesen Läufer aber noch im Auge behalten. Es ging durch Kaunitz, über Bahnschienen und Feldwege Richtung Liemke. Irgendwann unterwegs kam mir der Gedanke „Moment mal, müsste das nicht Platz 3 der Herren-Staffeln sein?“. Denn in der Wechselzone waren vor uns noch nicht viele durch, manche davon Mixed-Staffeln, die separat gewertet werden.

Das hat mich nochmal mehr motiviert. Und da wurde die Taktik geändert: dranbleiben, schauen, was möglich ist. Im Hintergrund bleiben, nicht zu früh attackieren – denk einfach mal an Richard Ringer, der den EM-Marathon 2022 im Zielsprint auf den letzten 50 Metern gewonnen hat.

Immer hydriert bleiben…

Nach etwa 3km die nächste Verpflegungsstation. Ich nahm zwei Becher, einen halbwegs in den Mund geschüttet und den anderen über den Kopf. Am Ende der VP noch einen Schwamm, ausgedrückt über den Kopf. Klitschnass war ich. Bei der brühenden Sonne aber eine optimale Kühlung, denn die ist enorm wichtig – und somit Wettkampftipp Nr. 5: Kühlen, kühlen, kühlen! Da gibt’s auch kein „zu viel“, also rüber mit dem Becher, Schwamm, oder was ihr sonst an Wassermöglichkeiten unterwegs gestellt bekommt.

Weiter ging es, ich nutze die Euphorie und Stimmung der Verpflegungsstation – das brachte einen mentalen Kick, den ich verarbeiten konnte und in die Beine schickte. Man glaubt gar nicht, wie ausschlaggebend die Denkweise und Einstellung bei einem Rennen ist. Das merke ich, seitdem ich mich mit dem Thema Mentaltraining beschäftige. Wettkampftipp Nr. 6: Hört auch auf euren Kopf, trainiert diesen! Aber nun erst mal zurück zum Rennen.

Ich sehe weiterhin den Staffelläufer vor mir und bleibe dran, fange jetzt an Abstände (in Sekunden) zu messen. Dazu eignen sich markante Wegpunkte, wie z.B. Kreuzungen, Abbiegungen, oder manchmal auch Schatten, wobei die auch gern mal perspektivbedingt täuschen können. 14-15 Sekunden waren das meist. „Okay, …“, dachte ich mir, „das kann ich vielleicht ja noch rausholen, wenn er nicht gleich noch aufs Gas drückt“.

Da der Abstand aber immer bei ca. 15 Sekunden blieb, war klar, dass er eben eine ähnliche oder gar selbe Pace läuft, und es war noch keine große Taktikänderung erforderlich.

Tempoverschärfung, aber vorher noch…

Kurz hinter Kilometer 5 war so oder so geplant, das Tempo zu verschärfen. Ich sehe auf die Uhr und bin bei 5,35km – okay, los geht’s. Vorher aber noch ein weiterer Wettkampftipp, den ich wirklich allen empfehlen kann: Alle 4-5km die Arme ausschütteln, einmal in den Himmel schauen und so fest grinsen wie es nur geht. Egal ob 10km, Halbmarathon, Marathon oder gar Ultra oder Triathlon – auf allen Distanzen kann dieses kurze Auflockern und selbst motivieren Wunder bewirken. Das höre ich auch immer wieder als Feedback von meinen Athlet:innen – probier du es doch auch beim nächsten Rennen mal aus!

Wenig später kam auch die nächste Verpflegungsstation und ich nutzte auch hier wieder die Stimmung, um Gas zu geben. 

Ich bedanke mich bei allen Helfern, klatsche mit und gebe den Daumen nach oben als Dankeszeichen. Oft genug habe ich bei Wettkämpfen selber geholfen um zu wissen, wie es auf der anderen Seite ist. Ich finde die Arbeit der ehrenamtlichen Helfer:innen, ohne mich selbst loben zu wollen, einfach klasse – so auch hier beim Grafschaftslauf! Viele Gruppen, viele Kinder an der Strecke – das ist so toll zu sehen! Ich sauge diese Energie förmlich auf, ich liebe das!

Das Rennen wird weiter verschärft

Nun habe ich den Vorsprung weiter reduziert, bin nun bei ca. 5 Sekunden Abstand angelangt. „Er wird mich sicherlich hören oder spüren, umgedreht hat er sich jedenfalls nicht glaube ich“, denke ich mir. Bei einer Geraden ist es dann soweit und ich schließe zu ihm auf. Bei der nächsten Abwärtspassage gehe ich an ihm vorbei – natürlich geht er mit. Da man aber nie so recht wissen kann, wie viele Körner der jeweils andere noch hat, bleibe ich defensiv und reduziere bei einem kurzen Anstieg das Tempo und lasse ihn vorbeiziehen. Das war im Nachhinein eine sehr gute Entscheidung und wir sind hiermit bei (Taktik-)Tipp Nr. 8.

Bei der folgenden Gerade drücke ich nochmals auf mein Gaspedal und merke, dass der Abstand sich vergrößert. Ein kurzer Blick über die Schulter und ich sehe, dass ich allein weiterziehe. Ein paar hundert Meter später ein prüfender und nicht-fassender Blick: ich bin vorbei. Weiter drücken, um jetzt nicht mehr einzubrechen. Eine freundliche Helferin auf dem Rad feuert mich nochmal an „Auf geht’s, ist nicht mehr weit, im Ziel sind viele Zuschauer und da gibt’s tolle Verpflegung!“ – „hoffentlich“ dachte und rief ich, „ist auch nicht mehr weit oder?“. „Nein“, sagte sie, „da hinten ist das Schild mit der 28 und dann sind es nur noch 800m, schön schattig im Wald“.

Rückblickend kann ich sagen: die Entfernungen passten, aber schattig war es nicht mehr allzu viel. Aber das war mir dann auch egal, ich war ja bereits durchgebrutzelt.

Auf die Zielgeraden

Da ich die Strecke nicht kannte und nicht wusste, wie viele Kilometer am Ende es wirklich sind, konnte ich dann jetzt auch richtig beschleunigen. Möglicherweise hätte ich vorher noch ein paar Sekunden rausholen können, aber am Ende zählten für mich eher mein Gefühl, meine wirklich sehr zufriedenstellende Leistung und auch die (bis dahin erst einmal nur gedachte) Platzierung.

Die letzten 200 Meter habe ich dann mit unserem Staffelstarter Daniel ins Ziel laufen können. Nochmal auf 3:40 min/km beschleunigt und den Zieleinlauf mehr als genossen. Ich bin extrem dankbar für den Wettkampf, für die letzten Tage und Wochen der Vorbereitung.

Bronzemedaille Grafschaftslauf / Laufcoach Stefan
eingerahmte Bronze-Medaille

Nach dem Zieleinlauf und dem ersten Schluck Wasser dann die Nachricht von Daniel: „Jawoll, wir sind Sechster!“ – aber statt mich extrem darüber zu freuen, denn der 6. Platz ist wirklich grandios und definitiv über den kurz vor dem Start geplanten Top 20, fragte ich nach, ob er sich sicher sei und ob das denn die Gesamtwertung oder nach Kategorien sei. Die Kategorien für Staffeln waren beim Grafschaftslauf nämlich Männer, Mixed und Damen. Daniel schaute nach und freute sich nochmal mehr, als er sah und mir verkündete: „JAAAA, WIR SIND DRITTER! GEIL!“

Bronzemedaille, Urkunde und Medaille Grafschaftslauf 3. Platz / Laufcoach Stefan
Urkunde und Medaillen

WOW! Endlich mal wieder ein Rennen bestritten. Ich konnte es genießen, ich konnte taktieren, ich konnte rennen. Meine Taktik ist voll und ganz aufgegangen. Natürlich wäre das aber alles nicht gegangen, wenn Daniel und Marco nicht so exzellent vorgelegt hätten. Daniels Bein machte am Vortag etwas Probleme, Marco war am Vorabend unterwegs und definitiv nicht unterhopft (😉). Aber dass wir mit solch einem Ergebnis nach Hause fahren, damit haben wir nicht gerechnet. Wie gesagt, kurz vor dem Start malten wir uns eine Top 20-Platzierung aus.

4 Läufer von Trainingsbiester Wadersloh glücklich nach dem Grafschaftslauf / Laufcoach Stefan
Trainingsbiester Wadersloh: neben mir Daniel (Staffelläufer #1), Marius (Einzelstarter 29km) und Marco (Staffelläufer #2)

Zum ersten Mal stand ich also in meinem Läuferleben auf einem Treppchen. Gemeinsam mit Daniel konnten wir die Siegerehrung wahrnehmen, Marco war leider noch im Bus zum Ziel.

Siegerehrung Grafschaftslauf 2022 / Laufcoach Stefan
Siegerehrung mit den Organisatoren sowie Schirmherrn & Hausherren des Schloss Holte Carl Philipp Tenge-Rietberg

Ein riesiges DANKE an die Organisatoren des Grafschaftslaufs, dem wahrscheinlichen kleinen Bruder des Hermannslaufes. Klar gab es hier und da, z.B. beim Bustransfer oder den Startzeiten, noch Optimierungspotential, aber das sind Kleinigkeiten, die man in der Zukunft sicherlich noch lösen kann und wird.

Zusammengefasst hier noch einmal die Wettkampftipps:

  1. Checkliste für jegliche Sachen für den Wettkampf im Vorfeld anlegen und beim Packen abhaken
  2. Wettkampfverpflegung im Training testen und beobachten – nicht jede:r verträgt dabei/vorher eine Banane oder jedes Gel, jeden Drink, etc., o.Ä.!
  3. Wenn du dich krank fühlst oder definitiv krank bist, lass das Rennen sausen. 99% von uns sind sogar Hobbysportler:innen und die Gesundheit sollte niemand riskieren.
  4. Für Staffelläufe: Nutzt die Funktion eurer GPS-Uhr und lasst euch gegenseitig einen LiveTrack zukommen. So könnt ihr die Abstände einschätzen und wisst, wann ihr etwa am Zug seid.
  5. Kühlen, kühlen, kühlen. Okay, bald im Herbst/Winter vielleicht nicht so enorm wichtig, aber aktuell schon noch. Nutze jede Gelegenheit, egal ob Rasensprenger, Verpflegungsstelle, Schwamm, etc.
  6. Mentaltraining! Es ist und bleibt einfach ein Gamechanger in der Wettkampfvorbereitung. Probier’s einfach mal aus!
  7. Arme, Himmel, Lachen: alle 4-5km die Arme ausschütteln, Blick nach oben richten und in den Himmel schauen und so doll grinsen wie du nur kannst. Auch das gibt einen Motivationsschub, ähnlich wie Zuschauer:innen am Seitenrand!
  8. Bei (taktischen) Überholmanövern kann es sein, dass eben jene:r auch „mitgeht“ – schau, dass du dich nicht vollkommen auspowerst und beobachte klug.

Gerne begleite ich auch dich bei deinem nächsten Wettkampf. Schau doch gern mal bei meinen Leistungen vorbei oder hinterlass mir hier einen Kommentar!

Natürlich können die Tipps fast bis ins Unendliche fortgeführt werden, aber es sind eben nicht die „klassischen“ und sollen dir eine mögliche, neue Inspiration bieten.

Dein Laufcoach Stefan

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